Am Strom und bei der Lorelei
Man steigt nicht in denselben Strom zweimal
In diesen schon gar nicht: Baden verboten
Aber das muß ja nicht immer so bleiben
Und auch die Möwen müssen nicht morgen noch
So überfressen im Abendwind treiben
Jedenfalls strömt er - der Strom der Schwere
Brüder aus Vor- und aus Nachmärz, noch immer
Läßt er die bitteren Tage vergessen
Wenn man durch weingefüllte Pokale
Sieht, wie die Fluten im Abendlicht fließen
Ja, immer noch strömt er, der Strom der Schwere
Immer noch voll von Kähnen, beladen
Mit Gold und Weihrauch und Myrrhe und Kohlen
Vorbei an dem Felsen, auf dem eine Jungfrau
Und einhunderttausend Wattstärken johlen
Zu den gewaltigen Melodeien
Märchen aus alten und neuen Zeiten
Hängt eine Frau auf dem Kahn an die Leine
Hosen und Hemden, Tränen und Träume
Tanzen zwei Kinder um ihre Beine
Träumt sich, wie ich, auf die trutzigen Burgen
Wo die vier Winde die Zinnen nicht brechen
Sie steht am Fenster der Kemenate
Ich, auf dem Rand der Zisterne sitzend
Sing ihr zur Laute die Rosenballade
Tafeln wir noch in den rostigen Sälen
Richtig verrückte Traumtänzerritter
Putzen die Rüstung für kommende Schlachten?
Oder sind wir die quakenden Frösche
Die nach dem Kuß der Befreiung schmachten?
Ich bin dafür, den Ausfall zu wagen:
Zugbrücke runter, den Rössern die Sporen
Lanzen voran, und ans Ufer sprengen
Schon damit später die fechtenden Enkel
Unsere verrückten Träume besingen
Nein, man steigt nicht in denselben Strom zweimal
Aber das muß ja nicht immer so bleiben
Jedenfalls fließen die Fluten, die Jahre
Und zu gewaltigen Rock-Melodeien
Kämmt Lorelei ihre goldenen Haare