Tirami Sue

Heinz Rudolf Kunze

Vor einem CD-Verleih in der Fußgängerzone von Lippstadt
sah Kilian Tirami Sue zum erstenmal.
Er war gerade im Begriff, eins seiner gefürchteten
Juckpulverattentate auf den CD-Verleiher zu begehen,
aber Tirami Sue hatte die schönste Software,
die er je gesehen hatte, und brachte ihn völlig aus dem Konzept.
Wenn du mich lieben würdest, stammelte er,
würde ich deine T-Shirts über unserem Haus
als Kriegsflagge hissen, und alle Düsenjäger,
die uns überflögen, würden bei diesem Anblick
ein anerkennendes Anarchisten-A aus Kondensstreifen
in den Himmel schreiben.
Ich wäre dein Neger und dein Eskimo, wenn du mich lieben würdest.
Für dich würd ich sogar meine Zinnsoldatensammlung
in die Mikrowelle stellen.
Ich würde uns zwei Ringe kaufen und ins Meer werfen,
doch die Götter würden das Opfer verweigern
und brächten es uns zurück in zwei Fischstäbchen,
die wir verspeisten.
Das wäre ein wunderbar schauriges Omen für unsre Liebe.
Wir könnten hinreißend unglücklich werden zusammen,
wie wär's?
Tirami Sue hatte aufmerksam zugehört.
Gerade als sie den Mund öffnen wollte,
stürmte ein korpulenter Priester in wehendem Schwarz
aus dem Laden, einen Stapel Guns'N Roses unterm Arm.
18 LÖCHER! 18 LÖCHER! schrie er. Nicht etwa im Käse,
auch keine Einschüsse in meinem Jeep! Mein Golfkurs ruft,
komm, Baby, ich bin in Eile.
Use your illusion, murmelte Kilian.
War nett, Sie kennenzulernen, schnaufte der Priester.
Sie heißt Tirami Sue, fügte er zwinkernd zu Kilian hinzu,
und sie nimmt mir immer donnerstags die Beichte ab.
Wir sprechen uns noch, sagte Tirami Sue,
und winkte ihm zu vom Beifahrersitz.
Dann trat der Priester in die Eisen
und schoß davon mit quietschenden Reifen.
Kilian sah ihnen nach.
Er wußte, das war der Beginn einer langen Geschichte.

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